Coaching-Mythen auf dem Prüfstand - eine ehrliche Analyse
Ich habe in den letzten Jahren beobachtet, dass Coaching, besonders in Online-Formaten, immer inhaltsleerer wird. Statt uns ehrlich in unserer Entwicklung zu unterstützen, wird uns subtil vermittelt, dass mit uns etwas nicht stimmt – dass wir falsch sind und unser Leben eigentlich „anders“ laufen sollte. Alles nur, damit wir Kurse kaufen, Seminare buchen und Bücher bestellen.
Da es gut sein kann, dass du über einen meiner Blogartikel hier gelandet bist, sind dir diese Posts in den sozialen Medien bestimmt auch schon begegnet. Vielleicht hast du mittlerweile genug von den inhaltsleeren Sprüchen und sehnst dich nach echtem Wachstum. Nach Tiefe. Nach echter Verbindung.
Ich möchte deshalb gemeinsam mit dir beleuchten, warum viele der Coaching-Floskeln, die du online findest, absolut leere Worthülsen sind – und wie du sie durch gesündere und nahrhaftere Versionen ersetzen kannst, die dich wirklich weiterbringen.
Denn: Dein Leben ist genug, so wie es gerade ist – und mit dir stimmt alles. Versprochen.
Coaching-Mythos 1:
„Du brauchst nur das richtige Mindset, dann kannst du alles schaffen!“
Fangen wir mit dem Mindset an. Auf Facebook, Instagram und TikTok kommt man kaum noch daran vorbei. Der Begriff war lange eine durchaus sinnvolle Beschreibung für unsere Art zu denken – heute wird er uns allerdings nur noch als Ursprung und Lösung all unserer Probleme verkauft:
Du hast nicht genug Geld? Arbeite an deinem Money-Mindset – und schon werden die Scheine sprudeln!
Auf der Arbeit läuft’s nicht? Arbeite an deinem Business-Mindset – und dein Unternehmen geht bald to the moon!
Du kommst im Leben nicht weiter? Leg dir ein Erfolgs-Mindset zu – und all deine Probleme werden sich in Luft auflösen!
Ist es wirklich so einfach? Natürlich nicht.
Ich denke, ich muss an dieser Stelle nicht extra erwähnen, dass das reale Leben deutlich vielschichtiger ist. Die gängigen Coaching-Narrative reduzieren die natürliche Komplexität unserer Existenz auf sehr platte und inhaltsleere Floskeln. Dadurch entsteht bei uns der Eindruck, als hätten wir all unsere Schwierigkeiten ausschließlich selbst verursacht. Mit dem „richtigen Mindset“ wären wir schließlich reich, erfolgreich und frei von Problemen. Das kann Scham, Schuldgefühle und Ohnmacht in uns erzeugen.
Damals, als ich selbst noch an diese Weisheiten geglaubt habe, ging es mir ähnlich. Mich plagten häufig Selbstzweifel, und ich fühlte mich „falsch“, weil ich nicht so reich, schön und erfolgreich war. Deshalb optimierte ich mich bis zum totalen Zusammenbruch und war ziemlich frustriert. Glücklicherweise konnte ich all diese toxischen Narrative nach und nach gegen gesündere Denkweisen austauschen.
Alternative:
„Eine klare innere Haltung hilft dir, die Schwierigkeiten des Lebens zu meistern.“
Du brauchst kein Money-, Business- oder Erfolgs-Mindset. Was dich langfristig wirklich weiterbringt, ist eine aufrechte innere Haltung, mit der du deinen Prüfungen begegnest. Ein klares und entschlossenes „Ja“ zum Leben. Wir werden immer wieder schwierige Phasen und Krisen überstehen müssen. Genau das ist auch der Grund, warum wir so oft Zuflucht bei Social-Media-Coaches suchen – wir wünschen uns schnelle Hilfe und einfache Antworten auf komplexe Fragen. Dieser Impuls ist in uns allen angelegt und überaus menschlich. Auch ich bin ihm lange gefolgt.
Nur: Die leeren Coaching-Weisheiten helfen uns kaum bei der Bewältigung realer Lebenskrisen. Denn dafür sind sie zu flach, zu hohl, zu oberflächlich. Sie bieten keine echten Lösungen, sondern bagatellisieren unsere Schwierigkeiten. Das verschafft uns vielleicht kurzfristig ein Gefühl von Kontrolle – aber der Effekt ist kurzlebig. Nicht selten geraten wir dadurch in weiteren Stress und verlieren dabei auch noch viel Geld durch überteuerte Kurse und Seminare.
Was uns hilft, ist das Leben in seiner Ganzheit anzunehmen und ihm bewusst zu begegnen. Mit all seinen Höhen und Tiefen. Ein klares Annehmen der aktuellen Situation mit einer stabilen inneren Haltung macht uns resilient und gibt uns die Kraft, die wir benötigen, um unsere Herausforderungen zu bewältigen.
Dann sind wir wirklich erfolgreich.
Coaching-Mythos 2:
„Du bist der Schöpfer deiner Realität.“
Ein Satz, der auf den ersten Blick eine wichtige Botschaft enthält – denn ja, wir können den Lauf unseres Lebens aktiv beeinflussen. Die Art und Weise, wie wir Entscheidungen treffen, verändert unsere Lebensrealität. Im Kontext sozialer Medien wird diese Tatsache allerdings häufig toxisch verzerrt:
Dein Leben läuft schlecht? – Das hast du dir selbst so manifestiert!
Dich plagen Ängste und Sorgen? – Dann musst du deine Frequenz erhöhen!
Dein Vermieter hat dir gekündigt? – Das liegt an deinem Karma!
Dieser Satz blendet strukturelle, soziale und politische Realitäten komplett aus. Er suggeriert: „Du hast dir dein Leid selbst erschaffen und bist allein dafür verantwortlich.“ Aber wir alle leben in völlig unterschiedlichen Bedingungen. Wer mit Armut, chronischer Krankheit, Rassismus, Krieg oder Missbrauch zu tun hat, kann nicht so einfach „eine neue Realität erschaffen“. Dazu kommt: Unser Leben kann sich jederzeit grundlegend ändern. Wer schon mal ein Kind bekommen, den Beruf gewechselt oder eine ernste Erkrankung durchgestanden hat, weiß das. Dann hilft es überhaupt nicht, wenn uns Online-Coaches einreden, wir seien auch noch selbst an unserer Lage schuld.
Alternative:
„Du kannst Verantwortung übernehmen und damit den Lauf der Dinge aktiv beeinflussen.“
Fakt ist, wir können nicht durch unsere Gedanken oder unser Verhalten vorherbestimmen, was uns im Leben widerfährt. Dafür gibt es einfach zu viele Variablen, die außerhalb unserer Kontrolle liegen. Aber: Wir können bewusst wählen, wie wir auf die Herausforderungen reagieren – und damit Verantwortung für uns und unsere Umwelt übernehmen. Statt das „Traumleben zu manifestieren“, können wir ehrliche und kraftvolle Schritte in die gewünschte Richtung unternehmen. Und damit wirklich wachsen.
Das gibt uns ebenfalls eine Kontrolle über den Lauf der Dinge - aber eben nicht auf eine verklärte und leere Art, sondern auf eine sehr effektive und überaus nachhaltige.
Coaching-Mythos 3:
„Du musst nur hart genug an dir arbeiten, dann wirst du dich irgendwann gut genug fühlen.“
Dieses Narrativ klingt erst logisch und passt zu unserer Leistungsgesellschaft. Es suggeriert: Wenn wir nur hart genug arbeiten, trainieren, meditieren, Glaubenssätze auflösen und blockierende Muster erkennen, dann wird sich irgendwann ein Zustand innerer Erfüllung einstellen – und unser Leben mühelos gelingen. In der Realität führt genau diese Haltung aber oft zum Gegenteil: einem Zustand chronischer Unzufriedenheit, weil wir nie wirklich ankommen.
Dadurch entsteht in uns eine innere Dauerbaustelle. Die Botschaft lautet: Erst wenn wir all unsere Problemzonen abgearbeitet haben, dürfen wir uns ausruhen und gut fühlen. Erst wenn wir fertig sind, können wir uns entspannen.
Doch die To-Do-Liste endet nie – im Gegenteil: Je härter wir an uns arbeiten, desto mehr Baustellen tun sich auf. Für jedes gelöste Problem erscheint ein neues. Das kann schnell in einen Teufelskreis aus ständiger Selbstoptimierung führen – und paradoxerweise genau das verhindern, was wir eigentlich suchen: innere Ruhe und das Gefühl, genug zu sein.
Alternative:
„Du bist jetzt schon gut genug. Wirksame Entwicklung entsteht aus aufrichtiger Selbstannahme.“
Du wirst dich nicht dadurch gut genug fühlen, dass du immer härter an dir arbeitest – sondern dadurch, dass du beginnst, dich mit allem anzunehmen, was gerade da ist. Mit all deinen einzigartigen und wertvollen Facetten. Mach dir bewusst: Du bist immer genug. Und warst es auch schon immer. Erst wenn du dich genau so annimmst, wie du gerade bist, kannst du beginnen, wirksame Entwicklungsschritte zu unternehmen.
Lass uns das Spiel also ab heute umdrehen:
Erst kommt die Akzeptanz – dann die Veränderung
Erst bist du genug – dann gehst du deinen Weg
Erst nimmst du dich an - dann entscheidest du, wie es weiter geht
Ich weiß, das ist eine große Aufgabe und lässt sich nicht so gut in fancy Instagram-Posts verpacken. Und sicher ist es auch nicht die beste Methode, um maximal viele Kurse und Bücher zu verkaufen. Aber es ist der Nährboden, auf dem echte Veränderung möglich wird.
Fazit
Die ursprünglichen Botschaften hinter vielen Coaching-Mythen, sind in der Online-Welt bis zur Unkenntlichkeit verzerrt und dienen hauptsächlich dazu, dich zum Kaufen von Produkten zu bewegen. Sie erzeugen Druck, Frustration und Schuldgefühle, weil sie die Komplexität unseres Lebens auf einfache Floskeln reduzieren. Ich habe genug von diesen leeren Worthülsen – und dir deshalb drei alternative Sichtweisen an die Hand gegeben, die deinen Geist nähren und langfristiges Wachstum ermöglichen.
Wenn du auf der Suche nach mehr Echtheit, Tiefe und Verbindung in deinem Leben bist, und genug hast von Social-Media-Posts, dann schau dich gerne auf meinem Blog um, hör in den Podcast rein oder abonniere den Newsletter.
Es freut mich sehr, wenn dich dieser Artikel weitergebracht hat!